Der neue XC90 lässt alle anderen Modelle der Marke gleich ein bisschen älter aussehen. Das Dickschiff mit fast fünf Metern Länge, fast zwei Metern Breite und 1,80 Meter Höhe markiert für die Schweden den Beginn einer neuen Zeit. Das gilt spektakulär besonders für den Volvo XC90 T8 Twin Engine, dessen erste Exemplare jetzt in Deutschland in der Meisterschaft in einer ganz besonderen Nordischen Kombination antreten.
Bereits die Modellbezeichnung beschreibt eine ungewöhnliche Konstellation in dieser Fahrzeugklasse: Twin Engine. Die Vorderachse wird von einem stark aufgeladenen Vierzylinder der neuen Drive-E-Motoren mit 253 kW / 320 PS und einem maximalen Drehmoment von 400 Newtonmetern auf Trab gebracht. An der Hinterachse übernimmt das ein 64 kW / 87 PS starker Elektromotor. Der wird allerdings nur aktiv, wenn Traktion an der Hinterachse gebraucht wird. Beim Start mit Vollgas bekommt die Acht-Gang-Automatik es dann mit insgesamt 299 kW / 407 PS und 640 Nm zu tun. Bricht an der Vorderachse der Schlupf aus, greift der E-Motor hinten ebenfalls ein.
So gesehen bietet der Twin Engine einen Antrieb an allen vier Rädern, wenn auch nicht das, was auch Volvo bisher als Allradantrieb anbietet. Gewinnt der Schlupf vorn die Oberhand, kann das System eben nicht alle Leistung nach hinten durchreichen, sondern nur die 87 elektrischen PS anbieten. Dieser Allradantrieb ist also kein Instrument für bessere Traktion bei sportlicher Fahrweise mit hohen Geschwindigkeiten, sondern ein System, das bei das gewichtige SUV bei widrigen Straßenverhältnissen im Zaum hält.
Als Plug-in-Hybrid bietet der Twin Engine nominell 43 Kilometer Reichweite aus der Lithiumionen-Batterie mit 9,2 Kilowattstunden (kWh) Kapazität. Die Höchstgeschwindigkeit in diesem der sechs möglichen Fahrmodi beträgt 120 km/h. Wer am Stadtrand wohnt, täglich in die Innenstadt pendelt und jeden Abend daheim brav wieder auflädt, der schafft das komplett ohne Strom. Weil das einem typischen Einsatzprofil entspricht und es außerdem politisch gewollt ist, darf auch Volvo von dem NEFZ-Verbrauch seines Motors einen hohen Prozentsatz herunterrechnen.
Deswegen kann Volvo für den Twin Engine einen Durchschnitts-Normverbrauch von 2,1 Litern angeben. Das entspricht nur einem Fünftel, bestenfalls einem Viertel des tatsächlichen Benzinverbrauchs, der bei unserer Überland-Tour zwischen acht und zehn Litern lag. Diese Werte mögen erschrecken. Aber sie sprechen dennoch für das Hybridsystem. Denn wir bewegten ein Fahrzeug mit mindestens 2,3 Tonnen Leergewicht, einem hohen Luftwiderstand wegen großer Stirnfläche und eher durchschnittlicher aerodynamischer Qualität und mindestens 320 PS.
Der Innenraum XC90 nutzt die Möglichkeiten seiner Außenmaße. Großzügigkeit ist angesagt. Weil die Batterie im nicht ungewöhnlich voluminösen Mitteltunnel steckt, bleibt auch der Kofferraum unbeeinträchtigt bei 640 Litern hinter der zweiten – verschieb- und verstellbaren – Sitzbank. Wird die dritte Sitzreihe gegen Aufpreis bestellt, bleiben noch 262 Liter. Die Passagiere der zweiten Reihe sitzen ein bisschen höher als Fahrer und Beifahrer, was ihnen ein gute Sicht nach vorn einbringt. Der mittlere Platz kann – getreu der Volvo-Tradition – zu einem Babysitz umgebaut werden.
Der Innenraum bietet aber nicht nur Platz, sondern auch eine besondere Atmosphäre mit einem aufgeräumten, modernen Design und hochwertigen Materialien. Auffällig hier besonders der senkrecht angebrachte Touchscreen nach Art und Größe eines iPad-Tablets, von dem aus viele Funktionen gesteuert werden, so dass bei Knöpfen und Schaltern Zurückhaltung geübt werden konnte. Häufig genutzte Funktionen wie Lüftung und Klima lassen sich über virtuelle Tasten direkt ansteuern. Wenn der Fahrer am Display die Grundeinstellungen für die Fahrt vorgenommen hat, kann er sich beruhigt den (optionalen) Komfortsitzen überlassen, weil die ihren Namen zu Recht tragen.
Beim Volvo XC90 T6 AWD, dem Benziner mit dem gleichen 320-PS-Benziner, hatte uns die scheinbare Leichtigkeit des Handlings überrascht. Dagegen schien uns der Twin Engine behäbiger, was den 200 zusätzlichen Kilogramm geschuldet sein dürfte. Bei der Zeit für den Spurt von 0 auf 100 km/h schlägt der Hybrid allerdings den Benziner. Mit 5,6 Sekunden ist der Hybrid 0,9 Sekunden schneller auf Tempo 100.
Das Besondere dieses Volvo liegt nicht in solchen Zahlen oder in der Frage nach der Qualität der Lenkung oder der Federung. Es fällt nicht schwer zu akzeptieren, dass der XC90 ein Fahrzeug auf der Höhe der Zeit ist. Anders ist er dennoch – traditionell in Sachen Sicherheit. Euro-NCAP hat bisher für kein anderes Auto so viele Punkte in puncto Sicherheit vergeben wie für den XC90. Das gilt auch für die Fahrer-Assistenzsysteme, für die sich Volvo immer etwas Neues einfallen lässt, zum Beispiel das System, das beim Abbiegen nach links den Unfall mit dem Gegenverkehr vermeidet. Vernetzt ist der XC90 ebenfalls, als erster Volvo auch mit Apple Car Play.
Der Grundpreis für den Twin Engine in der kompletten, sportlichen R-Ausstattung liegt bei knapp 80.000 Euro. Unser Testwagen schrammte die 100.000-Euro-Marke. Aber es muss ja nicht immer gleich die beste Nordische Kombination sein. Der XC90 D4 mit einem Vier-Zylinder-Turbodiesel und 140 kW / 190 PS bildet ab 49.000 Euro die Einstiegsvariante in die schwedische Oberklasse. Als der Benziner für Einsteiger kostet der T5 AWD mit 187 kW / 254 PS aus zwei Litern Hubraum ab 54.700 Euro.
Kein anderes Modell zeigt besser als der Twin Engine, dass bei Volvo andere Zeiten anbrechen. Design und Technik entwickeln sich eindrucksvoll weiter. Die Übernahme der Schweden durch das chinesische Unternehmen Zhejang Geely Holding im Jahr 2010 hat offenbar Türen geöffnet. Die nächste Attacke auf die Premium-Klasse werden die Schweden noch in diesem Frühjahr mit der großen Limousine S90 führen. In den kommenden vier Jahren will Volvo das komplette Modellprogramm erneuert haben. Vielleicht gibt es dann noch weitere Beispiele für die Nordische Kombination. (ampnet/Sm)
Daten Volvo XC 90 T8 Twin Engine R-Design
Länge x Breite x Höhe (in m): 4,95 x 1,96 (mit Außenspiegeln 2,14) x 1,78
Radstand (m): 2,98
Motor: R4-Benziner, 1969 ccm, Kompressor, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 235 kW / 320 PS bei 5700 U/min
Max. Drehmoment: 400 Nm von 2200–5400 U/min
Hinterachs-Elektroantrieb: Wechselstrom-Synchronmotor mit 64 kW
Max. Drehmoment: 240 Nm
Batterie: Lithiumionen (270 V–400 V), 9,2 kWh
Max. elektrische Reichweite: 43 km
Max. Systemleistung: 300 kW / 407 PS bei 4300 U/min
Max. Systemdrehmoment: 640 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h (elektrisch: 125 km/h)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 5,6 Sek.
NEFZ-Durchschnittsverbrauch: 2,1 Liter
CO2-Emissionen: 49 g/km
Effizienzklasse:: A+ (Euro 6)
Böschungswinkel: vorn 23,8°, hinten 23,3°
Bodenfreiheit mit optionalen Luftfahrwerk: 227 mm–267 mm
Wattiefe: 450 mm
Leergewicht / Zuladung: min. 2343 kg / max. 667 kg
Kofferraumvolumen: 640–1816 l (ab 262 l b. drei Sitzreihen),
Max. Anhängelast: 2400 kg
Wendekreis: 11,9 m
Räder: 20 Zoll
Luftwiderstandsbeiwert: 0,33
Preis: 79.660 Euro
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