Die neuen Dieselmotoren verdankt Saab der Beharrlichkeit seiner Ingenieure, die auch an ein Fortbestehen der Marke glaubten, als das Unternehmen abgewickelt werden sollte, weil sich kein Investor fand. Obwohl Mutter General Motors die Tochter Saab aufgegeben hatte, arbeiteten die Motorentwickler weiter. Jetzt steht der Saab 9-3 da mit drei brandneuen Dieselmotoren, die im Schnitt (nach EU-Norm) in den Limousinen 4,5 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen und 119 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer emittieren.
Die neuen Motoren stellen für Saab einen Meilenstein dar, nicht nur weil in vielen Ländern Europas die 120-Gramm-Marke eine wichtige Hürde ist, deren Unterbieten mit finanziellen Erleichterungen aller Art belohnt wird. Die Motoren und diverse Kosmetik an den vorhanden Modellen sind ein deutliches Zeichen, dass der neue Besitzer aus den Niederlanden Großes mit dem kleinen Hersteller vorhat.
Beginnen wir mit den Motoren. Ein Schwede kann sein Auto fünf Jahre steuerfrei fahren, wenn die CO2-Emission unter 120 g/km liegt. Der Saab Sportcombi liegt leider 0,1 Liter schlechter im Verbrauch und damit zwei Gramm oberoberhalb der Grenze. Auch das Cabriolet schafft den Sprung unter die Grenze knapp nicht. Die Ingenieure bei Saab werden sich das sicher nicht lang mit ansehen.
Bei unserem Besuch in Schweden erläuterte der Global Product Manager Christopher McKinnon, dass seit Ende März, als der neue Besitzer Spyker das Ruder übernommen hat – nun auch Saab alle Register zieht: rollwiderstandsarme Reifen, Überarbeitung von Fahrwerk und Bremsen sowie der Aerodynamik, längere Übersetzungen des Getriebes, ein intelligentes Management der Elektrik und Leichtbau stehen auf der Tagesordnung. Die Reifen hat man gefunden; bei den Scheibenbremsen scheuern die Beläge nicht mehr ständig an der Bremsscheibe; der Unterboden wurde strömungsgünstiger; das Gewicht sank um bis zu 50 Kilogramm; das Automatikgetriebe erhielt einen neuen Drehmomentwandler. Auch ein Start-Stopp-System steht ins Haus. Saab kämpft um den Anschluss, was auch beim Autosalon in Paris zu sehen war, wo man ein Elektroauto ausstellte.
Den Saab mit dem neuen Diesel, denTTiD 9-3, sieht McKinnon nur als Zeichen für den Beginn einer neuen Ära. Die Schweden haben sich für ihren Neustart Partner gesucht. So entwickelt Saab in einem Jointventure mit American Achsle nun eine neue Plattform, die sich für einen elektrischen Allradantrieb eignen und auch einen Hybridantrieb ermöglicht. Mit BMW hat man die Lieferung des 1,6-Liter-Vierzylinder-Turbomotor vereinbart. Und mit Jason Castriota hat man sich auch einen neuen Designer aus Italien ins Haus nach Trollhättan geholt.
Die drei Vierzylindern-Dieselmotoren der TTiD-Serie holen aus ihrem 1,9 Liter- Hubraum 130 PS, 160 PS und in der höchsten Leistungsstufe 180 PS sowie ein maximales Drehmoment von 400 Newtonmetern. Die stärkste Motorvariante zählt zu den leistungsstärksten Dieseln ihrer Klasse. Alle drei sind Twinturbo-Motoren, arbeiten also mit zwei hintereinander geschalteten Turboladern, bei denen der erste die Turbogedenksekunde beim Tritt aufs Pedal verhindern und der zweite den hohen, gleichmäßigen Drehmomentverlauf bringen soll.
Bei unseren Testfahrten in Schweden gewannen wir den Eindruck, am Verhindern des Turbolochs beim Beschleunigen müsse man noch arbeiten. Unser Verbrauch lag bei rund 170 Kilometern Autobahn (110 km/h) und Landsstraße (70 bis 80 km/h) bei 5,7 Litern auf 100 Kilometer.
Auch von den Benzinern der Schweden gibt es Neues zu vermelden. Der neue Basismotor leistet bei zwei Litern Hubraum jetzt 163 PS. Er kann auch mit Alkohol betrieben werden und steht für die 9-3 Sportlimousine, den Sportcombi und die 9-3X-Modelle mit Allradantrieb zur Wahl.
In Anlehnung an den 9-5 wurde das Heck des 9-3 überarbeitet. Außerdem gibt es jetzt eine Schaltanzeige. Und Saab-Freunde können zur klassischen Drei-Speichen-Leichtmetallfelge zurückkehren. Für alle Karosserievarianten wird auch die TX-Edition fortgeführt. Die hebt sich vom normalen Modell ab durch den Kühlergrill, den vorderen Stoßfänger mit Elementen in Titanoptik sowie mit 17-Zoll- oder 18-Zoll-Split-Spoke-Leichtmetallfelgen ab. Der Innenraum zeigt viel Kohlefaseroptik. Die TX-Modelle werden in sechs Außenfarben angeboten. In der Modellreihe Linear ist das TX-Modell in allen Farben erhältlich.
Weltweit stellt sich Saab unter dem neuen Besitzer auf. Dafür bedarf es natürlich einer größeren Modellpalette. Mitte November wird der Crossover 9-4X sein Debut in Los Angeles geben. Den Sportcombi zum 9-5 werden die Schweden im kommenden Jahr nachreichen.
All das – die Marketingstrategien und die neuen Modelle – kommen heute nur noch aus dem schwedischen Trollhättan. Die Fabrik ist so modern und flexibel, dass alle Modelle auf einem Band hergestellt werden können. Am 18. Dezember 2009 war das Unternehmen in die Liquidation gegangen, seit 22. März dieses Jahres wird wieder gearbeitet. 3700 Menschen haben wieder Arbeit gefunden, mehr als vor dem vorläufigen Ende. Heute werden pro Schicht zwischen 200 und 250 Autos pro Tag baut. Es gibt also Luft nach oben.
Leicht werden es die Schweden nicht haben, denn die Zahl der produzierten Autos nennen Fachleute zu klein zum Überleben. Außerdem ist die Geschichte des Unternehmens nicht spurlos an der Marke vorbeigegangen. Sie hat gelitten und muss schnell wieder zur alten Kraft zurückkehren, wenn sich der gewünschte Erfolg einstellen soll. Immerhin wird nun schon seit März wieder vor den Kulissen gearbeitet. Man darf gespannt sein, mit welcher Strategie das Unternehmen weiterleben will.
Die Ansprüche sind jedenfalls hoch. Das zeigt schon ein Blick auf die Preise. Der Saab 9-3 mit dem 130-PS-Diesel kostet in der Basisversion 28.750 Euro, der Top-Diesel 34.800 Euro. Solche Preise kennt man in dieser Fahrzeuglasse nur bei Premium-Marken. (ampnet/Sm)