Der Golf geht in die achte Modellgeneration – doch während die Weltpremiere des Bestsellers und Käfer-Nachfolgers früher ungeteilte Beachtung gefunden hätte, muss sich der Golf 8 inzwischen seinen Ruhm teilen: mit dem ID 3, dem elektrischen Volkswagen im Golf-Format, der – wie der Konzern glaubt – den entscheidenden Sprung in die E-Mobilität einleiten wird. Doch einstweilen verspätet sich der ID 3: Statisch war er auf der Frankfurter IAA zu sehen, zu den Händlern kommt er erst in der zweiten Jahreshälfte 2020. Anders der Golf: Er wird jetzt erstmals gezeigt und kommt noch 2019 in erheblichen Stückzahlen zu den Händlern.
Stilistisch steht der neue Golf für einen evolutionären Ansatz. Tatsächlich haben sich die Abmessungen kaum verändert: Er ist etwas gestreckter und etwas flacher als der Vorgänger, der Luftwiderstandsbeiwert sinkt auf knapp 0,28. Die rundliche Frontpartie wird durch eine flache Scheinwerfer-Kühlergrill-Kombination akzentuiert, die durchaus futuristisch wirkt und in wohltuender Weise auf die aggressiven Kühleröffnungen verzichtet, mit denen sich manches Konkurrenzmodell profiliert.
Die aufgeständerten Außenspiegel wirken sportlich, und an dem präzisen Fugenverlauf hätte wohl auch Ferdinand Piëch seine Freude gehabt. Kurios mutet hingegen die Chromspange an, deren windungsreicher Verlauf auf der Heckschürze eine zweiflutige Abgasanlage simulieren will. Und auf den aufgeklebten Schriftzug auf der B-Säule hätte man verzichten können: Den meisten Betrachtern dürfte auch ohne ihn klar sein, dass es sich um einen Volkswagen handelt.
Auf die zweitürige Version verzichtet VW übrigens in Zukunft, und auf die Wiederkehr eines Cabrios braucht man sich ebenfalls kaum Hoffnungen zu machen. Dafür wird es wieder einen Variant geben.
Weitaus radikaler als außen mutet der Sprung im Interieur an. Analoge Instrumente gibt es hier nicht mehr. Schon in der Basisausstattung glänzen vor dem Fahrer großflächige Bildschirme mit volldigitaler Anzeige. Gegen Aufpreis lässt sich das „Innovision“-Cockpit ordern, das nochmals erheblich mehr Funktionen offeriert.
Technikverliebte Besitzer werden am neuen Golf ihre helle Freude haben. Da lassen sich digitale Kacheln verschieben, einst simple Knöpfe und Drehschalter weichen digitalen Schiebereglern, Sprachsteuerung und ein vollwertiges Head-up-Display komplettieren die schöne digitale Welt.
So eindrucksvoll sich das neue Cockpit ausnimmt, so zweifelhaft ist, ob die Kundschaft auf die Vielzahl der Funktionen Wert legt. Immerhin lässt sich das Smartphone in einem günstigen Winkel positionieren, so dass man dort auf die bewährten Apps zugreifen kann. Schade nur, dass sich das Telefon in dieser Position nicht aufladen lässt.
Und schade finden wir auch, dass es keine Hifi-Anlage aus dem renommierten Hause Dynaudio mehr gibt. Dass die nunmehr verbaute Anlage der US-Marke Harman/Kardon mit dem Vorgängermodell gleichziehen kann, darf bezweifelt werden.
Dafür gibt es eine Vielzahl an Assistenzsystemen, die den Fahrer beobachten und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Sogar den Schlüssel wollen die Wolfsburger überflüssig machen und durch Smartphones ersetzen. Über „We Connect Plus“ lassen sich zahlreiche Funktionen per Telefon fernsteuern. Und auch die Wanze „Alexa“ steht bereit, des Fahrers Wissbegier zu stillen.
Immerhin kann man noch komplett selbst schalten. Tatsächlich hat Volkswagen ein neues Sechs-Gang-Schaltgetriebe entwickelt, das reibungsarm läuft und den Verbrauch messbar verringert. Darüber rangieren die Sieben-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Bei ihnen empfiehlt VW übrigens, bereits den Rückwärtsgang einzulegen, während das Fahrzeug noch vorwärts rollt, „um einfacher zu rangieren“.
Das Motorenprogramm bleibt vielfältig. Mit Diesel-, Otto-, Hybrid- und Erdgasantrieben beschreitet der neue Golf den goldenen Weg der Technologieoffenheit. Im Einstieg gibt es 1,0-Liter-Dreizylinder-TSI-Motoren mit 90 PS und 110 PS, darüber rangieren 1,5-Liter-Vierzylinder-TSI-Aggregate mit 130 PS und 150 PS, bei denen eine Zylinderabschaltung serienmäßig ist. Optional gibt es eine 48-Volt-Hybridisierung. Am effizientesten und dank Twin-Dosing-System extrem sauber sind die 2,0-Liter-TDI-Motoren mit 115 PS bzw. 150 PS. Der bisher angebotene 1,6-Liter-TDI entfällt.
Doch damit ist das Portefeuille noch längst nicht komplett: Es wird auch in Zukunft einen GTD mit rund 200 PS starkem TDI-Motor geben, und bei den Ottomotoren markieren der GTI mit rund 240 PS sowie der Golf R mit über 330 PS die Spitze. Zudem wird es zwei Plug-in-Hybride mit 204 PS bzw. 245 PS geben, deren Stärke im Zyklusverbrauch liegt. Auch der Erdgas-Antrieb hat eine Zukunft – im Golf TGI. Verschiedene Versionen werden mit Allradantrieb angeboten.
Um die Kraft auf die Straße zu bringen, bietet der Golf ein anspruchsvolles Fahrwerk; gegen Aufpreis gibt es eine elektronische Dämpferregelung. Und das serienmäßige LED-Licht, das es auch in einer gehobenen Variante gibt, macht die Nacht zum Tag.
Der Sprung in die achte Modellgeneration ist jedenfalls gelungen. Technisch befindet sich der Golf 8 teilweise auf dem Niveau der Oberklasse. Bleibt die Frage, ob Volkswagen damit nicht die Bedürfnisse der Kunden überholt hat. Denn es dürfte so manche unter ihnen geben, die auch in Zukunft einfach komfortabel und zügig von A nach B kommen wollen – und dabei problemlos auf die Elektronik verzichten könnten. (ampnet/jm)
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