Downsizing ist auch 2011 das ganz große Thema in der Automobilindustrie. Klein, sparsam und somit auch mit einer deutlich geringeren CO2-Bilanz ausgestattet, müssen die Fahrzeuge der Zukunft sein. Das steht auch einem Sportwagenhersteller gut zu Gesicht, dessen auf 77 Stück limitiertes und 1,66 Millionen Euro teures Top-Modell One-77 einen CO2-Ausstoß von 572 Gramm für jeden gefahrenen Kilometer aufweist. Da wäre ein stylischer Kleinstwagen mit ebenso überschaubarem Durst doch genau der richtige Ausgleich zwischen all den bis zu 760 PS starken Acht-, Zehn- und Zwölfzylindermotoren, dachte sich Aston-Martin-Chef Ulrich Bez. Er fragte freundlich bei Toyota an, ob man nicht den schnuckligen iQ (kostet bei den Japanern ab 11.900 Euro) in der Aston-Martin-Manufaktur veredeln könnte und zum Preis ab 37.995 Euro zunächst auf den europäischen Markt bringen könnte.
Eine, auf den ersten Blick merkwürdige, aber nach kurzem Nachdenken auch einleuchtend sinnvolle Kooperation war geboren. Jürgen Stolze, Toyotas General Manager für Presse und PR: „Wir sind begeistert, wie die Engländer unseren eh schon schicken iQ zum Nobel-Stadtflitzer umbauen. Und das alles in Handarbeit – Respekt! Außerdem ist es für uns eine Ehre, ja sogar ein Ritterschlag mit Aston Martin zusammenarbeiten zu dürfen.“
Cygnet (zu deutsch: junger Schwan) soll der kleinste Aston Martin aller Zeiten übrigens heißen. Ob James Bond dieses Modell gern als Dienstwagen hätte, können wir wohl getrost verneinen, aber der andere, zweitprominenteste Aston-Martin-Fahrer, seine königliche Hoheit Prinz Charles, ist ja bekanntermaßen für Öko-Ideen aller Art zu haben. Ulrich Bez dazu: „Der neue Cygnet wird dafür sorgen, dass unser Flottenverbrauch drastisch nach unten geht. Die auferlegten Grenzwerte in Europa und in den USA, die selbstverständlich auch für uns gelten müssen, werden wir so in jedem Fall erfüllen.“
Was der gut gelaunte Firmenboss offiziell noch nicht sagt, aber bereits ein offenes Geheimnis ist, ist die Tatsache, dass der Cygnet 2013 auch als reinelektrisches, und somit im Alltag CO2-freies Fahrzeug in die Schaufenster der Aston-Martin-Händler kommt. Der Elektroantrieb kommt dann ebenfalls vom Toyota iQ, hat einen 47 kW / 64 PS starken Motor, der von einer Lithiumionen-Batterie mit einer Kapazität von elf Kilowattstunden angetrieben wird. Die Batterien werden unter den Sitzen verbaut, so gibt es keinerlei Platzeinbußen. Die Beschleunigung soll dann auf Tempo 100 in unter 14 Sekunden passieren. Die Höchstgeschwindigkeit des E-Cygnet liegt bei 125 km/h, die Reichweite bei knapp über Kilometern.
Aber der erste kleine Elektro-Aston-Martin ist wie gesagt noch Zukunftsmusik, heute hier und jetzt testen wir den benzingetriebenen Cygnet mit der einzig verfügbaren Motorisierung, dem 1,3-Liter-Vierzylinder, 72 kW / 98 PS und 125 Newtonmetern Drehmoment. Und zwar dort, wo das hauptamtliche Einsatzgebiet sein wird. In den europäischen Metropolen, dort wo der Platz für Automobile eingeschränkt ist, die Parkplatzsuche zeitaufwändig ist und die Strafen für falsches Parken besonders hoch sind, weil im Zweifel gleich noch eine Verkehrsbehinderung strafverschärfend berechnet wird. Und da der Cygnet ja bei Aston Martin in englischen Gaydon handveredelt wird, erfahren wir die Vorteile des jungen Schwans auf der britischen Insel, in der Hauptstadt London. Hier steckt das ganz große Geld Europas, hier findet man die besten Schneider, hier fahren die meisten Luxus-Autos. Wir sind gespannt, wie der automobile Zwerg zwischen all den großen Range Rover, neben den langen Bentley- und Rolls-Royce-Limousinen ankommt.
Zur Auswahl stehen die beiden limitierten Einführungs-Editionen in Magic Black und Snow White zum Preis ab 48.995 Euro mit manuellem Sechsgang-Getriebe oder mit dem automatisierten Schaltgetriebe CVT zum Preis ab 50 445 Euro, sowie zahlreiche farbenfrohere Variationen. Damit möglichst kein Cygnet dem anderen gleicht, gibt es unzählige Möglichkeiten den edlen Schwan zu individualisieren. „Nichts ist unmöglich!“, man möchte fast meinen der erfolgreiche Toyota-Slogan wurde gleich miterworben. Jede Stilrichtung, jede Außenfarbe ist zum Aufpreis in Höhe von 4288 Euro machbar und wird extra für jedes Fahrzeug neu angemischt, ob klassisch-elegant in Britisch Racing Green oder extra auffällig in Neonorange. Oder zweifarbig, oder dreifarbig, mit oder ohne verchromten Außenspiegeln, erlaubt ist, was dem anspruchsvollen Kunden gefällt.
Die Devise lautet: „Der Cygnet ist der Maßanzug unter den kompakten Fahrzeugen“, erklärt uns der in feinem Zwirn gekleidete Cygnet-Brand-Manager Andy Haslam. So fasziniert auch der Innenraum mit detailverliebter Verarbeitung, weichem, streichelzartem Alcantara (Aufpreis 420 Euro), gestepptem Leder (3575 Euro) oder edelstem Sonder-Leder, auch hier ist wirklich jede Farbe möglich (5037 Euro), welche selbstverständlich individuell nach den Kundenwünschen gefertigt wird. Und tatsächlich gibt es vom Dachhimmel bis zum Fußraum kaum ein Teil, welches nicht perfekt mit farblich abgestimmtem Leder, gern auch mit Rauten-Muster, oder Alcantara bezogen wäre. Nimmt man auf dem bequemen, sportlich-konturierten Fahrersitz Platz, fällt der Blick auf ein liebevoll veredeltes Cockpit mit farblich abgesetzten Ziernähten, detailreich gestalteten Zeigern und einem schön griffig aufgepolsterten Aston- Martin-Lenkrad.
Außen ziert ein großer Kühlergrill, Familien-Optik, wie bei den schnellen zwei- und viertürigen Sportwagen, den durchgestylten Cityflitzer. Das geflügelte Aston-Martin-Logo durfte selbstredend auch nicht fehlen. Allerdings ist es vorn wie hinten fast doppelt so groß wie sonst, da der kleine Zweitürer seltsamerweise irgendwie ganz schön groß wirkt. Sportlich wirken auch die stilisierten Lufteinlässe auf der Motorhaube und ein angedeuteter rennsportmäßiger Heckdiffusor. Wobei wir zu den – weniger sportlichen – Fahrleistungen kommen. Aber das ist ja auch so gewollt. Der sparsame Viersitzer soll ja der nobelste Einkaufswagen und das atemberaubendste Citymobil sein und nicht die 24 Stunden von Le Mans gewinnen. Von null auf 100 Stundenkilometer werden handgeschaltet 11,8 Sekunden benötigt. Zwei Zehntel schneller geht’s mit dem stufenlosen CVT-Getriebe. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 170 km/h. Der Verbrauch, der so wichtig für die Aston-Martin-CO2-Bilanz ist, liegt bei 4,9 Litern auf 100 Kilometer, das entspricht einem CO2-Ausstoß von 113 Gramm je Kilometer.
Wir fahren über die berühmtesten Straßen Londons. Oxford Street, Regent Street und Savile Row – überall verwunderte, aber freundliche Blicke. Unzählige Daumen schnellen nach oben. Und immer wieder die erstaunte Frage: „Was ist denn das?“ Besonders begeistert zeigt sich eine London-Lady an einer roten Ampel am Hydepark, einen nicht minder stylischen Mercedes-Benz CLS steuernd: „Was für ein wundervoller Wagen, wo kann ich den denn kaufen?“ Mit dem richtungsweisenden Hinweis auf den nächstgelegenen Aston-Martin-Händler geht’s zum Borough Market, zum Schneider Jeremy Hackett, auch Mr. Classic genannt, und zur traditionellen Teestunde ins 5-Sterne-Grandhotel Claridge’s. Immer und überall, wo auch immer der Cygnet auftaucht, bemerken wir strahlende Augen, klickende Fotohandys und anerkennend nickende Köpfe. Der Cygnet muss wohl ein Erfolg werden. Übrigens: Den Cygnet kann natürlich jeder Zahlungswillige beim Aston-Martin-Händler erwerben und nicht nur adlige Stammkunden. (ampnet/ww)
Daten Aston Martin Cygnet
Länge x Breite x Höhe (m): 2,98 x 1,68 x 1,50
Motor: Vierzylinder-Benziner, 1329 ccm
Leistung: 72 kW/ 98 PS bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 125 Nm bei 4400 U/min
Verbrauch (nach EU-Norm): 4,9 Liter
CO2-Emissionen: 113 g/km
Höchstgeschwindigkeit: 170 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 11,8 Sek.
Wendekreis 7,8 Meter
Basispreis: 37.995 Euro