Atemberaubend, dieser Jaguar XKR-S, der schnellste Serien-Jaguar, den die Briten je gebaut haben. Er beeindruckt auch hartgesottene Auto-Freaks mit seinen italienisch-eleganten Linien, aber mehr noch an den Ecken, Kanten und Splittern und Spoilern, die erkennen lassen, dass unter der edlen Schale ein starker und harter Kern steckt, eben einer, der auf der Rennstrecke die 300-km/h-Grenze durchstoßen kann und anschließend lammfromm bummelnd auf der Promenade die Blicke auf sich zieht.
Sollte es sich um eine der Prachtstraßen dieser Welt handeln, auf der sich auch das schönste Auto nur selten einen Seitenblick der Schönen erhaschen kann, erlaubt der Jaguar seinem Fahrer ein akustisches „Schaut her, ich bin’s“-Ausrufezeichen. Wenn alle Regler auf Sport gestellt sind, beeindruckt die Performance-Abgasanlage nach einem Gasstoß mit einem tierischen Brüllen. Aber am Volant eines Jaguar ist das ein unpassendes Verhalten. Man ist ja Gentleman, vertraut eher auf die inneren Werte und drängt sich nicht so platt auf, wie viele Fahrer von Sportwagen mit eher südländischer Direktheit.
Was da außerhalb von Ortschaften oder aus Versehen dann doch einmal losbrüllt, ist ein Fünf-Liter-V8-Aluminiummotor mit Rootskompressor, der den XKR-S mit 405 kW / 550 PS und 680 Newtonmeter Drehmoment in 4,4 Sekunden von 0 auf 100 km katapultieren und – bei guter Pflege – die 300 km/h-Grenze deutlich überwindet. Das schafft er übrigens nicht lässig, aber gelassen. Die diversen aerodynamischen Hilfen und der ausfahrbare Heckspoiler halten ihn stabil und am Boden. Insgesamt konnte der Auftrieb um 26 Prozent verringert werden.
Spezielle Aluminium-Achsschenkel an der vorderen Achsaufhängung sowie eine überarbeitete Geometrie am Heck minimieren im Verbund mit steiferen Federn und Dämpfern, geschmiedeten 20-Zoll-Leichtmetallfelgen –vorn 255/35 R20 auf Neun-Zoll-Felge, hinten 295/35 R20 auf Zehn-Zoll-Felge – und einer neu kalibrierten Lenkung jede Verzögerung im Ansprechverhalten von Fahrwerk und Lenkung. Auch die um 28 Prozent höhere Federrate erinnert daran, dass es sich beim XKR-S nicht um eine vollständig domestizierte Wildkatze handelt.
Je anspruchsvoller die Strecke, desto eher wird einem bewusst, dass bei jedem Tier die Bestie durchbrechen kann, die vom geübten Dompteur oder der Elektronik wieder eingefangen werden muss. Eine der Voraussetzungen liefert die Bremsanlage, deren Scheiben so groß und deren Beläge so griffig sind, dass sie vorn 44 Prozent und hinten 31 Prozent mehr Bremskraft auf die Breitreifen bringen können als beim XKR ohne S.
Innen geht es ebenfalls tierisch zu. Für diesen Jaguar haben viele Kühe ihre Haut zu Markte tragen müssen: Die eher klassisch gehaltene Armaturentafel mit fein umrahmten Rundinstrumenten und die Mittelkonsole mit dem großen Bildschirm für Infotainment sind überall dort beledert, wo sie nicht schwarzen Klavierlack zeigen. Auch die neuen markanten Sportsitze mit hohen Wülsten zur Seitenführung und Schulterflügeln sind natürlich mit Leder bezogen. Es weht also der gewünschte Hauch von Luxus animalisch durchs zweisitzige Abteil. Aber auch hier signalisiert die Art der Anzeigen (Rundinstrumente) und deren Größe (kleiner als modern) aber auch das neue multifunktionale Lederlenkrad, dass unter dem feinen Leder die Idee eines puristischen Sportwagens steckt.
Von Purismus ist allerdings keine Rede mehr, wenn man vom Kofferraum spricht. Da öffnet sich unter der großen, am Dach angeschlagenen Heckklappe ein Volumen, das man in Sportwagen meist vergeblich sucht.
Ich welch einer Welt man sich mit dem Jaguar XKR-S bewegt, zeigt nicht nur ein Blick auf den Basispreis von knapp 130 000 Euro. Das wird auch klar, wenn Jaguar Wert auf die Feststellung legt, der XKR-S sei das erste Fahrzeug seiner Klasse mit einer Kohlendioxidemission von weniger als 300 Gramm pro Kilometer. Genau sind’s 292 Gramm, was sich aus dem Durchschnittsverbrauch (nach EU-Norm) von 12,3 Litern auf 100 Kilometer ergibt. Alltags hält sich der Jaguar beim Saufen also einigermaßen zurück. Was er auf der freien Wildbahn der Nordschleife konsumiert, hat jeder Jaguar-Dompteur selbst im Gasfuß. (ampnet/Sm)