Die Rüsselsheimer platzen fast vor Stolz auf ihren neuen Astra. Bei der Präsentation der zehnten Generation des kompakten Opels hörten wir oft: „Damit sind wir die Besten in dieser Fahrzeugklasse“. Superlative wie diese können die Opelaner auch gut gebrauchen; denn jedes dritte verkaufte Fahrzeug der Marken Opel und Vauxhall ist ein Astra. Der soll jetzt nach den Sternen greifen; nie hat Opel den Erfolg eines Autos dringender gebraucht.
Der Erfolg des Insignia ist eine der Quellen der Selbstsicherheit von Opel. Der trat in einem Maß ein, das man sich in Rüsselsheim wohl erträumte, aber bei der allgemeinen Absatzkrise nicht erwarten konnte. Der Astra soll an diesen Erfolg anknüpfen. Dafür hat er von seinem größeren Bruder Einiges mit auf den Weg bekommen: Technologien wie das adaptive „Flexride“-Fahrwerk oder das ebenfalls adaptive Fahrlicht (AFL) kommen jetzt der Opel-Kompaktklasse zugute, noch gegen Aufpreis. Aber die Opel-Leute lassen keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, dass sie den Astra als ein Beispiel für die Firmenphilosophie sehen, Hightech erschwinglich anzubieten.
Auch beim Design stand der große Bruder Pate. Der Astra zeigt ein freundliches Gesicht mit viel Chrom und mit pfeilförmigen LED-„Augenbrauen“ über den auffällig gestalteten Scheinwerfern. Rund und schnell sieht er aus mit seiner stark ausgeprägten Keilform, den breiten Schultern, den Akzente setzenden Kanten und Linien und dem fülligen Heck. Mehr Radstand (plus 71 Millimeter) und eine größere Spur (vorn plus 56 Millimeter, hinten plus 70 Millimeter) lassen ihn erheblich stämmiger auf der Straße stehen. Er wirkt gefällig, athletisch und modern.
Die sehr weit vorn und flach angesetzte Windschutzscheibe und die hinten nach unten gezogene Oberkante der Fenster geben seiner Seitenansicht den heute so beliebten Coupé-Charme. Doch unter dem optisch heruntergezogenen Heck bleibt auch auf den Rücksitzen Raum für Großgewachsene. Dort wirken sich die zusätzlichen Millimeter beim Radstand positiv auch bei der Beinfreiheit aus. Vorn sorgen die große Distanz zwischen Fahrer und Beifahrer und der weit ins Dach hineingezogenen Windschutzscheibe für ein neues Raumgefühl, dabei unterstützt von der tiefer als üblich angesetzten Armaturentafel und der Mittelkonsole, die in ihrer optischen Dominanz den Blick nach unten zieht.
Außen wie innen wirkt der Astra im Vergleich zu seinem Vorgänger eine halbe Nummer größer und mehr als eine halbe Nummer edler. Formen, Materialien und Verarbeitung vermitteln keineswegs, dass das Einsteigermodell schon für 15 900 Euro zu haben sein wird, wenn er in der ersten Dezemberwoche bei den Händlern steht. Nun kauft niemand das nackte Basismodell „Selection“ und kaum jemand die zweite Ausstattungsstufe „Edition“ ohne Zubehör. Opel hat mit dem Insignia gelernt, dass seine Kunden lieber zu den beiden besser ausgestatteten Varianten „Sport“ und „Cosmo“ greifen, wobei sie gern noch Euros in zusätzliche Ausrüstung stecken. Das erwarten die Rüsselsheimer auch beim Astra.
Wir haben uns jetzt bei der Pressepräsentation rund um Frankfurt auf die Astra-Variante 1.4 Turbo Ecotec Sport konzentriert. Unter den vier Astra-Benzinern von 74 kW / 100 PS bis 132 kW / 180 PS hat dieser Motor mit 103 kW / 140 PS gute Chancen zum Renner im Benziner-Markt. Im Frühjahr wird Opel eine Ecoflex-Variante nachreichen, die mit 64 kW / 87 PS nur noch 109 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer herauslässt. Bei den vier Dieseln reicht die Leistungspalette von 70 kW / 95 PS bis 118 kW / 160 PS. Opel gibt an, bei der kompletten Motorpalette den Verbrauch im Schnitt um zwölf Prozent gesenkt zu haben.
Einen 1,4-Liter-Vierzylinder hätte man vor gar nicht allzu langer Zeit noch als „Motörchen“ verspottet. Doch dann begann die Zeit des „Downseizing“, weil kleinere Motoren nun einmal weniger verbrauchen als gleichstarke, volumenstärkere Triebwerke. Mit Direkteinspritzung und einem kräftigen Hauch aus dem Turbolader lassen sich aber heute auch aus kleinen Motoren viele Pferdchen hervorlocken, bei unserem Turbo insgesamt 140. Die stehen bei 4900 Umdrehungen pro Minute parat, das maximale Drehmoment von 200 Newtonmetern zwischen 1850 und 4900 Umdrehungen. Fließiges Schalten kann also nicht schaden, was mit dem leichtgängigen und präzis arbeitenden Sechs-Gang-Getriebe nicht zu Last wird, bei dem zumindest der sechste Gang länger ausgelegt wurde, um den Kraftstoffverbrauch in Grenzen zu halten.
Für den 1,4-Liter-Turbo gibt Opel einen Wert (nach EU-Norm) von durchschnittlich 5,9 Litern Super an. Bei den Dieseln liegen die Durchschnittswerte zwischen 4,2 Litern und 5,8 Liter. Und der Kraftprotz 1,6-Liter-Turbo mit 180 PS steht mit 6,8 Litern (entsprechend 159 Gramm Kohlendioxid) in der Liste.
Unser 1,4-Liter-Turbo war mit den von der Arbeitsgemeinschaft Guter Rücken ausgezeichneten Sitzen für 500 Extra-Euro ausgestattet, die sich bei Sitzkomfort und Seitenhalt das Qualitätssiegel dieser Vereinigung wirklich verdient haben. Für 930 Euro zusätzlich kann man das „Flexride“-Sicherheitsfahrwerk erwerben, mit dem der Astra drei unterschiedliche Charaktere auf Knopfdruck an den Tag legen kann. Bei „Sport“ wird die Lenkung direkter, die Gasannahme spontaner, das Fahrwerk härter, und beim Automatikgetriebe werden die Gänge höher ausgedreht. Bei „Tour“ wird der Astra zum sanften Lamm. Aber auch in der Neutralstellung achtet das System darauf, was der Fahrer braucht. Werden die Lenkbewegungen härter, passt sich das Fahrwerk dem an.
Aber selbst im Sportmodus wird der Astra nie unkomfortabel. Das verdankt der jüngste Opel dem alten Herrn Watt, der ein Gestänge erfunden hat, das die Räder an der Verbundlenker-Hinterachse immer in der Spur hält. Die Achse selbst konnte weich gelagert werden. Und so erlebt man dann eine Verbundlenkerachse ohne Stoßen oder Lärm. Alles bleibt ruhig bei unseren 17-Zoll-Leichtmetallrädern.
Ruhe scheint bei der Astra-Entwicklung sowieso erste Ingenieur-Pflicht gewesen zu sein. Das beginnt beim leisen Zuklappen der Tür und setzt sich fort über erstaunlich geringe Wind- und Fahrgeräusche. Opel sagt von sich selbst, in der Kompaktklasse sei man jetzt das Maß der Dinge in Sachen Geräusch, und nach unseren ersten Fahrten sind wir geneigt, das zu glauben.
Ebenfalls für vorbildlich halten die Opelaner ihre Innenraumgestaltung bei Ablagen und Kofferraum. 25 Liter Ablagen in Türen, Handschuhfächern, einer Schublade unter dem Beifahrersitz, in der Mittelkonsole und unter der Armstütze bezeichnen sie als einen weiteren Bestwert für das Fahrzeugsegment. Und auch für den 370 Liter großen Kofferraum, der sich durch Umklappen der geteilten Rücksitzbank auf maximal 1235 Liter vergrößern lässt, haben sie sich etwas ausgedacht: einen dreistufigen Kofferraumboden. Wählt man die mittlere Stufe, ist der Boden bei umgeklappter Rückenlehne stufenlos glatt. Rastet man ihn in der oberen Stellung ein, muss man die Fracht nicht über den Stoßfänger in die Tiefe zu wuchten. Die Oberkante des Stoßfängers und der Ladeboden bilden dann eine Ebene. Und wegen der Verbundlenker-Hinterachse und trotz des in seiner größten Ausdehnung tiefen Kofferraums bleibt Platz genug für den integrierten Fahrradständer „Flex fix“ (590 Euro extra), der schon aus dem neuen Corsa her bekannt ist.
Wählt man dann noch das große Navi für 1150 Euro und das beeindruckend gute Lichtsystem AFL für 1250 Euro, hat man seinen Astra zu einem HighTech-Gefährten ausgerüstet, der sich mit manchem Vertreter der gehobenen Mittelklasse messen kann. Dann hat man sich allerdings auch in unserem 1,4-Liter-Turbo um rund 10 000 Euro vom Einsteiger-Preis des Astra entfernt.
Doch auch dieser Preis hält immer noch deutlichen Abstand zum Wettbewerber aus Wolfsburg. Der Golf ist es wieder einmal, den sich Opel als Angriffsziel gewählt hat. Das war schon immer so, seit einst der Opel Kadett A gegen den Käfer antrat. Opel hat eben Erfahrung beim Griff nach den Sternen. (ampnet/Sm)
Daten: Opel Astra 1.4 Turbo Ecotec Sport
Länge x Breite x Höhe (m): 4,41 x 1,81 x 1,51
Motor: Vierzylinder-Benziner, 1364 ccm, Turboaufladung
Leistung: 103 kW / 140 PS bei 4900 U/min
Max. Drehmoment: 200 Nm zwischen 1^850 und 4000 U/min
Leergewicht/Zuladung: 1373 kg/497 kg
Verbrauch (nach EU-Norm): Durchschnitt 5,9 Liter
Emissionen: 139 g/km, Euro 5
Höchstgeschwindigkeit: 205 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 9,7 Sekunden
Kofferraum: 370 Liter, auf 1235 Liter erweiterbar
Wendekreis: 10,9 m
Basispreis: 22.425 Euro
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