Das Überraschende am Aussehen des neuen Porsche 911 Carrera Coupé ist wieder Mal das Ausbleiben von Überraschungen. Seit der IAA in Frankfurt wissen wir, dass auch der Neue mit der Typennummer 991 so aussieht wie wir den Vorgänger-Typ 997 kennen. Also doch nur ein Facelift mit ein paar Retuschen, damit man ihn vom Alten unterscheiden kann? Dem Verdacht baute Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz bei der Vorstellung für die Presse im kalifornischen Santa Barbara gleich zu Anfang vor: „Wir können mit Fug und Recht behaupten, dass der 991 eine komplette Neuentwicklung ist.“
„Respekt vor der Tradition“, nennt Designer Michael Mauer als Grund für die seit Jahrzehnten geübte Zurückhaltung beim Feilen an der Ikone des Hauses. Er muss die immer wieder neue Technik so verpacken, dass alles in das gewohnte Bild passt. Beim Typ 991 heißt das: Größere Räder, eine nur um 56 Millimeter in der Länge gewachsene Karosse bei einem um 100 Millimeter größerem Radstand, eine flachere Dachlinie, neue, flache Scheinwerfer und größere Lufteinlasse vorn, noch breitere Schultern und eine Heckgestaltung mit schmalen, langen Rückleuchten, die ebenfalls die Breite unterstreicht.
Innen bleibt auch Vieles beim Alten. Das Zündschloss sitzt immer noch links von der Lenksäule und die Rundinstrumente liegen immer noch genau im Blickfeld, mit dem Drehzahlmesser als zentralem Element. Neu ist die ansteigende Mittelkonsole, die wir erstmals beim Panamera sahen, die im Carrera aber schmaler ausfällt. Dort sind die meisten Bedienelemente zusammengefasst. Wir fuhren ein Exemplar mit einem Drei-Speichen-Lenkrad mit großen Schaltpaddeln für das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK). Man kann auch ein Multifunktionslenkrad bestellen. Aber im 911 kam uns dieser Rest an puristischer Gestaltung gerade in diesem Umfeld von hochwertigen Materialien in exzellenter Verarbeitung gerade recht.
Soweit zu den Äußerlichkeiten. Aber da muss mehr sein. Das zeigt auch der Maßstab, an dem sich weltweit alle Sportwagen messen lassen müssen. Der neue Carrera S schafft die Nordschleife des Nürburgrings in 7:40 Minuten, 16 Sekunden schneller als sein Vorgänger. Und der Carrera ohne S ist der erste 911, der bei der Kohlendioxidemission unter der Marke von 200 Gramm pro Kilometer bleibt.
Da ist zunächst einmal der Motor. Der Hubraum des Sechszylinder-Boxers für den Carrera sank von 3,6 Liter auf 3,4 Liter und leistet mit 257 kW / 350 PS nun fünf PS mehr als sein Vorgänger. Das Drehmoment blieb mit 390 Newtonmetern (Nm) gleich, aber das Drehzahlniveau stieg. Der neue ist ein Drehzahlmotor, der seine Höchstleistung bei 7400 Umdrehungen pro Minute (U/min) und sein höchstes Drehmoment bei 5600 U/min erreicht. Beim Carrera S sieht das ähnlich aus: 400 PS statt 385 PS und 440 Nm statt 420 Nm. Bei ihm blieb es beim alten Maß von 3,8 Litern Hubraum.
Die Fähigkeit zum „Segeln“ mit ausgekuppeltem Antrieb, ein Thermomanagement, die Rückgewinnung der Bewegungsenergie, die Start-Stopp-Funktion, die Feinarbeit an Motor und Aerodynamik mit dem ausfahrbaren Heckspoiler und auch der Leichtbau, der gegenüber dem Vorgänger 80 Kilogramm weniger Gewicht brachte, sorgen gemeinsam mit dem PDK beim Carrera für einen Normverbrauch von im Schnitt nach EU-Norm 8,2 Litern und 194 Gramm CO2 pro Kilometer. Der Vorgänger brauchte noch 9,8 Liter. Beim S mit PDK sind es 8,7 Liter.
Die handgeschalteten Versionen brauchen 9,0 Liter bzw. 9,5 Liter, ebenfall gute Werte für ein Auto dieser Leistungsklasse. Sie zu erreichen hilft das weltweit erste Sieben-Gang-Getriebe, bei dem der siebte Gang das Drehzahlniveau bei Streckenfahrt absenkt.
Wir erlebten den Carrera S auf einem Flugfeld in seiner griffigsten Version mit dem neuen aktiven Fahrwerksregelsystem Porsche Dynamic Chassis Control (PDCC), das dem Wagen das Wanken fast vollständig abgewöhnt und damit mehr Querdynamik ermöglicht, und mit gedrückter Sport plus-Taste, die auch die Launch-Control aktiviert. Was dann geschieht, kommentiert der geneigte Schwabe gern mit dem Ausruf „Heiligs Blechle!“. Es trifft einen immer wie ein Schlag. Erst jubelt der Motor hoch, während die Bremse den Porsche festhält. Dann lässt man den 911 frei und der springt nach vorn, dass der Kopf an die Kopfstütze knallt. Nach 4,1 Sekunden ist die 100-km/h-Marke erreicht. Bis 200 km/h dauert es insgesamt 13,5 Sekunden. Solche Orgien begleitet der Motor dank Soundgenerator immer noch eindrucksvoll.
Das beeindruckt ungemein und wird nur noch übertroffen von der Agiltität, mit der Porsche in die Kurve geht und der Geschwindigkeit, die er in der Kurve erzielen kann. Und dann plötzlich Ruhe und Gelassenheit, wenn man Sport plus ausschaltet und den 911 sozusagen im Normalbetrieb bewegt. Dann wird er zwar nicht gerade zum Lämmchen, dazu ist das Fahrwerk doch auch in diesem Modus noch zu betont sportlich. Aber er mutiert zu einem alltagstauglichen Auto mit Luxus- und Langstreckenqualitäten. Die Spreizung von normal bis renntauglich wollen die Stuttgarter in Zukunft noch vergrößern. Ein Tipp dazu: die Rollgeräusche.
Porsche-Chef Matthias Müller sagte nicht ohne Stolz, der 911 sei schon immer sozial akzeptiert worden, obwohl er Exklusivität biete. Auch der Neue wird von diesem Image profitieren. Er kann es sogar polieren. Müller und sein Management sind davon natürlich überzeugt. Sie brachten es auf einfache Nenner: Der neue Porsche 911 Carrera ist der beste (Zitat Müller), der schönste (Zitat Mauer) und der schnellste (Zitat Hatz) aller Zeiten. Aber Superlative haben nur eine kurze Verfallzeit. In Zuffenhausen und Weißach arbeitet man schon am nächsten. (ampnet/Sm)
Daten Porsche 911 Carrera S Coupé (mit PDK)
Länge x Breite x Höhe (in m): 4,49 x 1,81 x 1,30
Motor: Sechs-Zylinder-Boxermotor, 3800 ccm, Direkteinspritzug
Leistung: 294 kW / 400 PS bei 7400 U/min
Maximales Drehmoment: 440 Nm bei 5600 U/min
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): 8,7 Liter/100 km
Kohlendioxidemission: 8,7 g/km / Euro 5
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,1 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 302 km/h
Leergewicht / Zuladung: 1415 kg / 435 kg
Räder / Reifen: vorn 8,5Jx20, 245/35 ZR 20; hinten 11Jx20, 295/30ZR20
Kofferraumvolumen: vorn 135 Liter, hinten 205 Liter
Basispreis: 102.436 Euro (ohne PDK)
Naja, ein gutes Design muss man ja nicht unbedingt verändern. Ausserdem sollte man einen 911 ja auch als solchen erkennen, ist ja z.B. beim Golf auch so.