1991 erblickte der erste Seat Toledo das Licht der automobilen Welt. Das Golf-Derivat verkaufte sich auch hierzulande recht erfolgreich, bis 2004 die dritte Modellgeneration wegen ihres unklaren Konzepts und des damit einhergehenden Design-Fehlgriffs den vorübergehenden Untergang der Baureihe einläutete. Nach einer kleinen Pause kommt der Toledo nun zurück. Die vierte Generation steht ab 16. März 2013 beim Händler. Und kommt Autokennern verdächtig bekannt vor. Sieht so nicht auch der Skoda Rapid aus?
Ja, so ist es. Der Toledo rollt sogar noch vom gleichen Band in Tschechien wie das Original. Seat hat damit aus dreierlei Gründen kein großes Problem. Erstens ist man es beispielsweise bei Mii und Alhambra gewohnt, von Volkswagen konstruierte Modelle unter der eigenen Flagge segeln zu lassen; zweitens wollen die Spanier stärker an der Entwicklung des Skoda beteiligt gewesen sein als es der äußere Schein vernuten lässt; drittens – und das wohl das Wichtigste – ist der Rapid eben ein gelungenes Vorbild.
Er kommt ein wenig nüchtern daher, der Toledo. Spanisches Temperament versprüht sein Äußeres nicht. Selbst das Marketing bezieht sich auf Begriffe wie „solide“ und „klar“, wenn vom Design die Rede ist. Der neue Seat ist vor allem eines, ein praktisches Auto. Da darf er sich beim äußerlichen Auftritt ruhig etwas zurückhalten. Bei einem Radstand von 2,60 Meter bietet er zum Beispiel eine beeindruckende Beinfreiheit im Fond, die einen Klassenbestwert darstellen dürfte. Dazu kommt ein üppiger Kofferraum mit 550 Litern Fassungsvermögen. Wer im Wettbewerbsumfeld bietet mehr? Bei umgeklappten Rücksitzlehnen sieht selbst mancher Kombi blass aus, allerdings muss eine große Stufe in Kauf genommen werden. Der Clou des Toledo (und des Rapid) aber ist, dass er ein pragmatischer Zwitter ist: In asiatischen und arabischen Märkten geht er als dort geliebte Stufenhecklimousine durch und in Europa kann er als Fließheck gelten, denn es gibt zwar einen optisch klar abgesetzten Kofferraum, aber dieser ist über eine weit öffnende Heckklappe zugänglich.
Im ersten Moment erschreckt im Innenraum das Cockpit, das aus seinem großzügig verteilten Hartplastik keinen Hehl macht und dies im Grauton unserer Testwagen auch noch zusätzlich betont. „Modern-puristisches Interieur“ nennt das die Presseabteilung. Auch die Filzauskleidung des Bodens wirkt etwas lieblos. In starker Diskrepanz dazu stehen die hochwertig wirkenden Armaturen mit chromumrandeten Rundinstrumenten und das Leder an Lenkrad und Schaltknauf in der Topausstattung Style. Dafür wirkt die Mittelkonsole recht aufgeräumt und bietet zwei kleine Becherhalter da, wo sie auch hingehören: vor dem Schalthebel. Nicht gerade deutschlandfreundlich ist die Farbgebung des Tachometers mit den abwechselnd grauen und weißen Ziffern. Gerade die neuralgischen Stellen 30, 50 und 100 treten da in Grau eher in den Hintergrund. Beim Ibiza ist das Farbschema übrigens umgekehrt. Das verstehe, wer will.
Seat macht den Einstieg in die Toledo-Welt – im doppelten Sinne des Wortes – einfach. Keine 14 000 Euro werden für die Basisversion fällig. Dafür gibt es dann aber auch nur einen Dreizylinder mit 55 kW / 75 PS, der sonst in keinem anderen Toledo zu finden ist, eine nur komplett umlegbare Rückenlehne hinten und keines der relativ preisgünstigen Optionspakete wie für die anderen Ausstattungslinien. Wer mehr will, muss mindestens 16 320 Euro anlegen und erhält dafür den modernen 1.2 TSI mit 63 kW / 86 PS im mittleren Ausstattungsniveau Reference. Es können aber auch bis zu 21 820 für den 1.6 TDI Ecomotive Style mit 77 kW / 105 PS sein. Der Top-Diesel dürfte sich vor allem für Vielfahrer empfehlen, alle anderen sind auch mit der gleichstarken zweiten Leistungsstufe des 1.2 TSI gut bedient, der subjektiv zwar nicht ganz soviel Druck aus dem Drehzahlkeller verspüren lässt, bei den Fahrleistungen aber leicht die Nase vorn hat. Das Benzin-Aggregat ist ausreichend spritzig und wartet ab 1500 Umdrehungen mit gutem Durchzug auf. Ab 3000 Touren fühlt sich der Toledo auch auf der Autobahn sehr wohl. Auf Dauer etwas nervig ist allerdings der röhrige Klang beim Beschleunigen, der fast schon ein wenig an einen Dreizylinder erinnert. Dafür funktioniert die serienmäßige Start/Stopp-Automatik auch bei unter null Grad. Alternativ gibt es noch den 1.4 TSI mit Doppelkupplungsgetriebe und 90 kW / 122 PS, der bei der Höchstgeschwindigkeit die 200-km/h-Marke knackt.
Egal, für welchen Toledo man auch immer sich entscheidet, empfohlen sei auf alle Fälle die 200 Euro teure Einparkhilfe, denn mehr als die Hutablage und das Heckfenster sieht man im Rückspiegel nicht (außer noch etwas nacktes Blech der Kofferraumklappe). Ach ja, der Gedanke an die triste und leider auch etwas kratzempfindlichen Kunststofflandschaft im Interieur ist nach 20, 30 Kilometern so gut wie verflogen. Schließlich gehört der Blick beim Fahren ja auf die Cockpitanzeigen und auf die Straße. (ampnet/jri)
Daten Seat Toledo 1.2 TSI Ecomotive Reference
Länge x Breite x Höhe (m): 4,48 x 1,70 x 1,46
Motor: Vierzylinder, Turbo, 1197 ccm
Leistung: 77 kW / 105 PS bei 5000 U/min
Max. Drehmoment: 175 Nm bei 1550 – 4100 U/min
Verbrauch (nach EU-Norm): 5,0 Liter
CO2-Emissionen: 116 g/km
Höchstgeschwindigkeit: 195 km/h
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h: 10,3 Sekunden
Leergewicht / Zuladung: 1175 kg / 460 kg
Kofferraumvolumen: 550 – 1490 Liter
Bereifung: 195/55 R15
Preis: 17.620 Euro